Rahel-Varnhagen-Blog

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Helgoland ist inseliger – Exkursion des Bio-LKs der H2v

„Helgoland ist inseliger“
So lautet der Werbeslogan für die Hochseeinsel in der Deutschen Bucht. Vielen eher bekannt als Hochburg des zollfreien Einkaufs, bietet die Insel so viel mehr Interessantes, so dass sich einige Teilnehmer des Bio-LKs der H2v auf den Weg machten, um die vielfältigen Ökosysteme des Felseneilandes zu erkunden. Eine sachkundige Betreuung bot hier das Open Sea Schülerlabor des Alfred-Wegener-Instituts Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung.
Tag 1: Alle Jahreszeiten auf einmal
Start ist in aller Herrgottsfrühe, denn die Fähre in Cuxhaven wartet nicht. Leider herrscht eine gewisse Unsicherheit, welcher Anleger der richtige ist und so geht es mal eben eine längere Strecke vom Parkplatz mit dem ganz en Gepäck durch Schneeregen zur Kasse der zuständigen Reederei. Endlich legt das Schiff, die „Helgoland“ ab. Vor den Panoramafenstern gleiten Neuwerk und weitere Inseln (das müssten Scharhörn und Niggehörn sein) im Dunst vorbei. Im Salon ist es zwar gemütlich, aber auch stickig und mit zunehmender Entfernung zur Küste spürt man als Landratte  Schiffsbewegungen schon deutlich. Draußen weht ein eisiger Wind, auch wenn inzwischen sich die Sonne hin und wieder mit den Regenschauern abwechselt. Endlich kommt die Insel in Sicht. Im Gegensatz zu früheren Jahren müssen wir nicht in die traditionellen hölzernen Börteboote umsteigen, sondern können bequem über die Gangway auf den Kai. Sonnenschein empfängt uns und wir atmen erst einmal auf, bevor wir mit dem Gepäck im Schlepp die Wanderung zur Jugendherberge an der Nordspitze der Insel antreten. Der Weg führt vorbei an den bunten Hummerbuden am Binnenhafen. Sie dienten früher den Fischern als Lagerplatz für ihre Gerätschaften, heute sind dort kleine Lädchen, Imbisse und die Infoausstellung des Vereins Jordsand, der u.a. die neuesten Vogelbeobachtungen aushängt. So hat sich in den letzten Tagen ein Schwarzbrauenalbatros auf der Insel herumgetrieben. Albatrosse sind eigentlich pelagische Bewohner der Südhemisphäre, aber bekannt für ihre großen Wanderungen. Ob wir ihr zu Gesicht bekommen werden? Es dauert, bis wir die Die Hummerbuden. Im Vordergrund die „Diker“ das Tauchboot des AWI Die Jugendherberge erreicht und uns eingerichtet haben. Dann treffen wir uns mit Frau Harth und Frau Dawirs, den Mitarbeiterinnen des Open Sea Schülerlabors und gehen mit ihnen auf das Oberland, um dort einen Überblick über das Programm der folgenden Tage zu bekommen und das Labor kennenzulernen. Bereits vom oberen Ende des „Düsenjägers“, des Wegs, der hinauf aufs Oberland führt, hat man einen tollen Überblick über die Insel. Dann zieht es uns, müde wir wir sind, zurück in die Jugendherberge, wo wir nach dem Abendessen die Bibliothek entdecken. Der Bücherbestand ist eher nicht so unser Geschmack, aber zu drei Seiten verglast, bietet sich ein windgeschützter wunderbarer Blick auf den Nordstrand und die hoch aufragenden Felsen. Schon bald tummeln sich einige Kegelrobben und Austernfischer am Strand bzw. im Flachwasser.
Tag 2: Informationen satt
Der Tag beginnt für drei Teilnehmer noch vor demFrühstück. Um 7.20 Uhr müssen
sie am Haus C des AWI sein, denn dort gibt es Schwimmwesten und Helme für die Ausfahrt mit der „Aade“. Das Holzmotorboot beprobt jeden Tag das Gewässer der Helgoländer Reede um Daten für Langzeitstudien und Material für Untersuchungen zu sammeln. Diese Langzeitdaten, die seit 1962 ununterbrochen erhoben werden, geben in ihrer Gesamtheit ein Bild über die Veränderungen verschiedener chemischer und physikalischer Parameter der Nordsee in diesem Bereich ab. Die Planktonproben zeigen beispielsweise, ob sich mit der Erwärmung des Wassers Neobioten eingeschlichen haben, die möglicher weise einheimische Arten verdrängen oder das Ökosystem stören, indem sie Nahrungsnetze verändern. Die mBasis mariner Nahrungsbeziehungen bilden Produzenten wie das Phytoplankton und Primärkonsumenten wie das Zooplankton, zu dem unter anderem die Larven von Krebsen, Tintenfischen und Stachelhäutern wie gehören. Die Windverhältnisse bestimmen, ob klares, salzreiches Nordseewasser oder trüberes salzärmeres Küstenwasser mit den jeweiligen Planktonorganismen vorherrscht. Dort, wo Wasserkörper unterschiedlicher Dichte zusammenstoßen, bilden sich sogenannte Fronten, die durch ihre „Transportbandfunktion“ zur lokalen Anreicherung von Nahrungsorganismen führen können. Greift der Mensch mit Ausbaggerung von Fahrrinnen oder Aufspülungen von Sand in dieses Gefüge ein, kommt es zu Veränderungen. Einen Einblick in die Erge bnisse und die weitere Arbeit an den verschiedenen Standorten des Alfred-Wegener-Instituts wie der Georg-von-Neumayer-Station in der Antarktis, dem Forschungseisbrecher „Polarstern“, Transsektmessungen der „Uthörn“ die bei unserer Ankunft noch im Hafen lag oder dem einem Schiff nachempfundenen Bau in Bremerhaven, wo es eher um geowisssenschaftliche Aspekte geht, gibt es bei einem Vortrag am Vormittag. Viel zu kurz für unseren Geschmack, da gibt es so viele interessante Aspekte und offene Fragen. Mit der Idee der Kontinentalverschiebung als Erklärung für das Vorkommen verwandter Tier- und Pflanzenarten auf verschiedenen Kontinenten, die der Namensgeber des Instituts am 6. Januar 1912 zum ersten Mal in einem Vortrag präsentierte, werden wir uns im nächsten Semester eingehend beschäftigen. Am Nachmittag werden dann die Planktonproben im Labor begutachtet. Winzige Seesterne, die an einen Eiffelturm erinnernden, sogenannten Pluteuslarven von Echinodermen (Stachelhäutern), Copepoden, Dinoflagellaten, Kolonien von Algen: vor uns tut sich ein ganzes Universum auf. Um überhaupt der ganzen Vielfalt Herr zu werden, werden die mit unterschiedlichen Maschengrößen gefangenen Proben erst einmal eingeengt und vorbereitet. Glücklicherweise dürfen wir einfach bewundern und müssen die Lebewesen nicht mühsam auszählen, wie es für die Datenerfassung notwendig wäre. Wenn der Tag noch ein paar Stunden mehr hätte, würde es sich lohnen, diese filigranen Konstruktionen zu zeichnen. „Was sehe ich da eigentlich?“, fragt man sich öfter. Bestimmungsliteratur wird zu Rate gezogen, skeptische Blicke: „Ist es wirklich dieser Organismus oder ein anderer?“ Im Zweifelsfall werden die Experten gefragt und so mancher vermeintlicheSensationsfund („Eine Hummerlarve!)“ ist  leider keiner. Aber faszinierend ist diese Formenvielfalt schon. Wir sind gespannt, wie der Vergleich mit Süßwasserplankton ausfallen wird, wenn wir im September wieder in der Ökostation an der Sorpetalsperre Proben vom Haupt- und Vorbecken nehmen werden. Die Salinität des Meerwassers wird mit dem Refraktometer bestimmt, das vorher geeicht werden muss. Der Salzgehalt liegt bei ca. 33 ‰ ähnlich dem in unserem Blut, was als Reminiszenz an die Entstehung des Lebens im Meer angesehen wird. Refraktometer messen auf Basis der optischen Dichte und werden auch zur Bestimmung des Zuckergehalts von Trauben vor der Weinlese benutzt.
Am Nachmittag ist es sonnig, also auf zu den Lummenfelsen. Das kleinste Naturschutzgebiet Deutschlands ist gerade mal 1,1 ha groß. Das Oberland zeigt deutliche Spuren der Bombardierungen im und nach dem 2. Weltkrieg. Bäume findet man hier kaum, die wenigen Exemplare am Rand der Gärten sind eher geduckte Windflüchter. Bemerkenswert ist ein Maulbeerbaum, der den Krieg überdauert hat, er steht geschützt zwischen den Häusern. Auf dem Grünland weiden weiße Gallowayrinder und Heidschnucken, die die Vegetation kurz halten. Jeder Lebensraum hat seine charakteristische Pflanzengesellschaft. Für Helgoland typisch ist die Trespen-Pfeilkressengesellschaft, die sich besonders zu den Klippenrändern hin erstreckt. Bei stürmischem Wetter erreichen feine Salzwassertröpfchen das Oberland, auch damit muss die Vegetation klar kommen. Der Anteil salztoleranter Pflanzen nimmt von der Nordspitze nach Süden immer mehr ab und wird durch Arten des Wirtschaftsgrünlandes ersetzt. Das beschränkt die Anzahl der Brutvögel, ist aber für Offenlandarten auf dem Zug von Interesse. Aber nun erst einmal zu den berühmten Lummenfelsen. Schon hört man Geschrei und auch der olfaktorische Eindruck ist nicht ohne. Die Bewohner sind halt Fischfresser. Die Lummen sind auf der Nordhalbkugel das Äquivalent für die Pinguine des Südens. Allerdings können sie fliegen, wenngleich ihre Tauchgänge mit dem „Flug unter Wasser“ deutlich eleganter wirken als ihr Flug durch die Luft. Der Vergleich mit Pinguinen drängt sich auf, wenn man Färbung und aufrechte Körperhaltung sieht. Man nimmt an, dass die Mühe, die das Anfliegen auf die schmalen Felsbänder den Elterntieren breitet, ein Grund für den Lummensprung ist. So ein Lummenbaby verputzt während einer Aufzuchtzeit von 21 Tagen ca. 42-47 g Fisch pro Tag, die erst einmal herangeschafft werden müssen. Die noch nicht flüggen Jungen müssen den Sprung hinunter ins Wasser wagen, wo der Vater nach ihnen ruft und sie dann auf See weiter betreut. Dieser Sprung erfolgt auf Helgoland nach Sonnenuntergang, um hungrigen Großmöwen zu entgehen. Durch die Küstenschutzbefestigungen müssen an manchen Stellen Menschen nachhelfen, die Betonverbaue zu überwinden. Die Weibchen bleiben noch einige Zeit, um den Brutplatz zu besetzen. Und der ist wirklich winzig. Schmale Felsbänder reichen ihnen schon aus, um das einzige Ei abzulegen. Dieses ist so geformt, dass es sich nur um sich selbst dreht, wenn es angestoßen wird, aber nicht die Klippen herabkollert. Auf den Klippen herrscht drangvolle Enge. Die Eltern schützen die Eier und Jungen vor gierigen Möwen und Krähen. Bei den Basstölpeln sitzt der Nachbar auch nur eine Schnabelreichweite entfernt. Sie sind zum Teil noch beim Nestbau und warum mühsam Tang zusammensuchen, wenn man doch dem Nachbarn einfach das Baumaterial klauen kann? Leider haben die Vögel eine fatale Vorliebe für die Reste von Fischernetzen, die heutzutage unkaputtbar sind. Sie verstricken sich manchmal unlösbar darin und verenden jämmerlich.
Am Spätnachmittag geht es dann zu den Rittern der Tiefe, den vom Aussterben bedrohten blauen Europäischen Hummern. In den Zuchtbecken des AWI werden die Tiere ein Jahr lang aufgepäppelt und dann in die Freiheit entlassen, um den Bestand wieder aufzubauen. Ein mühsames Geschäft, denn jeder
Winzling braucht sein Einzelzimmer, da die Tiere hochaggressiv sind. In den verschiedenen Reihen der Anzuchthalle können wir die Tiere in unterschiedlichen Größen besichtigen. Nur gucken, nicht anfassen! Schon wenn man mit der Kameranäher kommt, reckten sich die Scheren drohend aus dem Wasser und lassen jegliche Lust aufExperimente vergehen, ob menschliche Fingerknochen stärker sind als eine Hummerschere. Übrigens gibt es bei Hummern eine Händigkeit, ihre Scheren sind unterschiedlich stark ausgebildet und regelrechte Schweizer Multifunktionsmesser. Je nach Alter häuten sich die Tiere unterschiedlich häufig, ihre Panzer weisen jeweils Sollbruchstellen auf, so dass sich der weiche, angreifbare Hummer hinauswinden kann, um zu wachsen. An den ausgestellten Panzern konnte man die Unterschiede zwischen Männchen und Weibchen erkennen. Der Schwanzbereich der Weibchen ist deutlich breiter, denn sie halten mit ihren Füßen bis zu 50 000 Eier fest, bevor der Nachwuchs den Strömungen übergeben wird. Wenn man ein Dekapode, also ein Zehnfüßer ist, kann man sich das leisten. Aktuell laufen Forschungen am Riffgat-Windpark bei Borkum. Möglicherweise können Befestigungen und der Schutz vor Auskolkungen den Junghummern geschützte Verstecke bieten.
Tag 3: Treffpunkt „Kringel“und Frieren in der Vogelwarte
Es regnet und der Wind ist auch nicht ohne. Trotzdem geht es – schließlich ist unsere Zeit auf der Insel begrenzt – ins Felswatt am Kringelstrand. Netterweise hört der Regen auf, als wir da sind, aber die Kraxelei über die Tetrapoden, die dort wie an vielen anderen Stellen das Ufer vor Abtragung schützen und die wackeligen, mit glitschigen Algen überwachsenen Steine, hat es echt in sich. Während ein Teil der Gruppe sich den Lebewesen im ufernahen Bereich widmet, dringen andere bis zum Wasser vor. Neben Parametern wie Luft- und Wassertemperatur werden später auch der pH-Wert und die Salinität der Proben von verschiedenen Standorten registriert. Aber der Fokus liegt auf den Makroalgen und Tieren. Was nicht sofort bestimmt werden kann oder besonders interessant ist, wird mitgenommen. Während die Studierenden sich bibbernd um eine gute Ausbeute bemühen, nutzen die Seehunde das Niedrigwasser, um sich auf den Steinen vor der Tetrapodenbefestigung zu aalen. Ein kleiner Fels reicht schon aus, auch wenn die Position der Tiere ein bisschen nach Yogaübungen aussieht.
Während die einen sich durchs Felswatt schlagen, in spizieren die auf festem Grund Zurückgebliebenen die Vegetation am Hang zum Mittelland. Tangreste weit hinter den Tetrapoden weisen darauf hin, dass auch diese Bereiche zumindest im unteren Teil öfter eine Salzwasserdusche abbekommen, die Pflanzen also salztolerant sein müssen. Bemerkenswert ist der lilagrüne Klippenkohl, ein ursprüngliche Kohlform, die in Deutschland auf Helgoland endemisch ist. Neben den Kartoffelrosen, Sanddorn- und Holunderbüschen gibt es ca. 700 verschiedenen Pflanzenarten. Sogar kälteempfindliche Arten gedeihen an geschützten Orten.
Am Nachmittag werden die mitgebrachten Proben ausgewertet. Grün-, Braun- und Rotalgen haben unterschiedliche Ansprüche an das Licht, das sie zur Fotosynthese brauchen und folgen damit einer Zonierung in die Tiefe. Wer der Brandung und´Wellengang ausgesetzt ist, braucht starke Haftorgane, um nicht fortgerissen zu werden. Ein Leben in Bereichen, die bei Ebbe länger trockenfallen, setzt voraus, dass man sich vor dem Austrocknen schützen kann. Der Meersalat besteht nur aus wenigen Zellschichten, während viele Braunalgen robust und beinah ledrig wirken.
Mit Bestimmungsbüchern wird eine Artenliste der Makroalgen und Tiere erstellt. Sie ist nicht vollständig, bietet aber einen Einblick in die Vielfalt des Lebens im Felslitoral. Schon allein das Vorkommen mehrerer Schneckenarten mit ganz unterschiedlichen Gehäusen auf so kleinem Raum ist verblüffend.
Außerdem haben wir etwas Besonderes erbeutet: Eine Käferschnecke. Die sieht so gar nicht aus wie eine Schnecke. Kein Häuschen, aber wie eine Nacktschnecke sieht sie auch nicht aus. Langgestreckt – oval ist sie mit feinen Kalkplatten bedeckt, die von einem fleischigen Gürtel umgeben sind. Vorne und hinten sind kaum zu unterscheiden. Nachdem die Artenlisten erstellt sind und die physikalischen Parameter festgehalten sind, geht es zur Vogelwarte. Diese wurde schon im Jahr 1910 gegründet und gehört nun zum Institut für Vogelforschung in Wilhelmshaven und ist die Beringungswarte für Nordwestdeutschland. Durch die Lage von Helgoland ist die Insel ein willkommener Rastplatz für Vögel auf dem Durchzug und die Strukturen im Fanggarten, der mit Gebüsch, einem kleinen Feuchtgebiet und lockerer Bepflanzung gestaltet ist, locken sie an. Mehrmals am Tag werden die dort ruhenden Tiere in die trichterförmigen Fangreusen getrieben und landen letztlich in Holzkisten, aus denen sie aber sofort für die Messungen entnommen werden. Ein Blick auf das Brustbein verrät, wie es um die Muskulatur bestellt ist, steht es scharf wie ein Schiffsbug her vor, sind die Muskel der Flugmuskulatur eher schlecht ausgeprägt. Bläst man gegen den Strich auf dem Vogelbauch, zeichnet sich gelb das Fettgewebe unter der dünnen Haut ab, eine Aussage über den Ernährungszustand ist möglich. Die Vögel gewogen
und möglichst das Geschlecht bestimmt. Die Färbung und die Ausprägung bestimmter Flügelfedern (Mausergrenze) gibt Auskunft über das Alter des Tiers bzw. zumindest, ob es sich um einen adulten Vogel, einen Vogel aus dem letzten Jahr oder ein Jugendkleid handelt. Gegebenenfalls werden die Tiere auch beringt, wobei man zwischen Ringen, die lediglich die Beringungswarte und individuelle Zahlenkombination angeben und bunten, die einer individuellen Kennzeichnung zu Studienzwecken dienen, unterscheidet. Mit diesen Informationen und eventuellen Wiederfängen oder Fundmeldungen werden Zugwege, -physiologie und -geschwindigkeit nachvollzogen. Wie weit beeinflusst die Klimaerwärmung das Zuggeschehen? Verändern sich die Populationen? Welche Aussagen sind über die individuelle Lebenserwartung und Todesursachen möglich? Im Norden Helgolands liegt ein großer Windpark, nur einer von mehreren, die inzwischen in der Nordsee gebaut oder noch in Planung sind. Wie stark beeinflussen diesen Ansammlungen an Rotoren den Zug? Welchen Konsequenzen hat der massive Vogelfang in Südeuropa und Nordafrika auf die Zugvögel? Die „Helgoländer Reuse“ wurde von anderen Vogelwarten übernommen. Während wir interessiert zuhören, pfeift uns der Nordwestwind um die Ohren und es ist wirklich saukalt. Der seit Tagen anhaltende Wind ist auch der Grund, warum die Fangergebnisse sehr dürftig sind. Die Zugvögel warten ab, bis günstigerer Wind weht. In der Reuse haben sich ein Zilpzalp und der schon seltenere Wiesenpieper gefangen. Nach ca. 90 Sekunden, so wird uns erklärt, haben die Vögel die Prozedur des Vermessens und Beringens normalerweise überstanden und auch diese beiden sind offenbar froh, wieder losflattern zu dürfen. Während wir den Vogelwart noch mit Fragen löchern, schlägt, die Kirchturmuhr von nebenan und im Fanggarten bricht das Chaos aus. Mehrere Mitarbeiter rennen mit den Armen und Fangbeuteln wedelnd in Richtung der Reusen, um eventuell in den Büschen sitzende Vögel in die Kisten zu treiben. Das sieht lustig aus. Und tatsächlich gibt es einen besonderen Fang. Ein Sperberweibchen. Die ist nicht sonderlich begeistert, festgehalten zu werden, aber wow! Was für Augen!
Tag 4: Strand und Me(e/h)r
Kurz nach Sieben, schon machen sich zwei Tapfere auf den Weg zum Planktonfang, während die anderen gemächlich frühstücken. Unser Tag beginnt erst später, wir sind mit Jakob zum „Beachprofiling“ verabredet, das am Nordstrand hinter der Jugendherberge stattfinden soll. Kurz vorher kommen die beiden Planktonfischer zurück, zartgrün, denn der Seegang war schon recht heftig. Da hilft jetzt erst mal die heiße Dusche. Die restliche Gruppe trotzt dem noch immer heftig wehenden Wind und stapft mit Leine, markierten Stäben und restlichem Kram über die Minidüne zum Nordstrand. Von einem bestimmten Punkt aus wird eine Leine bis zwischen die bei Ebbe trockengefallene Felsen gespannt. Dann wird abschnittsweise die Höhendifferenz bestimmt. Währenddessen rauscht ein Boot nach dem anderen in Richtung Windpark vorbei. Sie alle weisen eine Katamaranbauweise auf, was wohl ideal für unruhige See ist.
Tag 5: Letzte Messungen und Impressionen
Morgens geht es noch einmal zum Open Sea Labor, die Daten des Beachprofiling müssen ausgewertet werden. Die gemessene Kurve deckt sich in etwa mit der vom Herbst 2015, während eine früher gemessene eine deutliche Erhöhung im Bereich der Vordüne zeigt, möglicherweise das Resultat einer heftigen Sturmflut, die Material abgerissen hat. Die Veränderungen, denen auch das Meer unterworfen ist, treten nicht immer offensichtlich zu Tage. Die Klimaerwärmung lässt das Eis der Arktis und Antarktis abschmelzen, damit gelangt Süßwasser ins Meer, das eine andere Dichte als Meerwasser hat. Gerade die unterschiedlich dichten und temperierten Wasserschichten sind aber die Triebfeder für Meeresströmungen, wie z.B. den Golfstrom, Europas Fernheizung, bei dem durch das „Abstürzen“ kalter Wassermassen im Norden wärmeres Wasser sozusagen „angesaugt“ wird. Unterschiedliche Wassertemperaturen bedeuten ebenfalls unterschiedliche Mengen angelösten Gasen, wie Sauerstoff und Kohlenstoffdioxid. Letzteres steht in einem Gleichgewicht mit der Bildung von Kohlensäure und verändert damit den pH-Wert des Wassers, sofern es diesem Gleichgewicht nicht durch die Bildung von unlöslichem Calciumcarbonat entzogen wird. Eine erhöhte Wassertemperatur mindert sie Fähigkeit der Ozeane als CO2-Senke zu fungieren. Ein niedrigerer pH-Wert beeinflusst nicht nur Lebewesen, deren äußere Hülle aus Kalk besteht, sondern auch andere, deren Lebensfunktionen und Aufenthaltsort vom pH-Wert beeinflusst werden. Im Experimentwurde nun Meer- und Süßwasser mit Kohlenstoffdioxid angereichert und der pH-Wert bei unterschiedlichenTemperaturen bestimmt.
Tag 6: Abfahrt
Morgens früh strahlt bereits die Sonne und nachdem wir ausgecheckt haben und das schwere Gepäck bereits unterwegs in Richtung Fähre ist, geht es noch einmal zum Shoppen, Sonne tanken, Fußball spielen oder einem letzten Besuch auf den Klippen. Am Kai wartet bereits das Schiff und nach einer wesentlich ruhigeren Überfahrt als auf dem Hinweg und einer Rückfahrt mit Kafka’s „Prozess“, dem Thema der nächsten Deutschstunden schlaffördernd im Ohr, trudeln wir wieder zu Hause ein.

Text und Fotos: Bettina Freund

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Exkursion des Biologie Leistungskurses der H2v nach Helgoland im Sommersemester 2016

Powerpoint Helgoland Exkursion