Rahel-Varnhagen-Blog

Rollenspiele sollen für den Beruf fit machen – mit Theaterpädagogen vom Mühlheimer Liberation-Theatre


Am Anfang hat man Herzklopfen

Westfalenpost, Hagen, 18.12.2008, Yvonne

Hagen. „Hier wird einem spielerisch beigebracht, wie man seine Außenwirkung verbessern kann, aber trotzdem nicht ‚rüberkommt, als habe man etwas einstudiert.”
Katrin wirkt locker, selbstbewusst und nicht verklemmt. „Eigentlich bin ich aber ein ruhiger Typ, ordne mich eher unter.”
Die 19-Jährige ist eine von 13 Schülern, die am Projekt „Mit Rollenspielen zum Beruf” teilnehmen. Zwei Tage lang werden die jungen Erwachsenen, die das Rahel-Varnhagen-Kolleg in Wehringhausen besuchen und dort im Sommer ihren Abendrealschulabschluss absolvieren werden, von Stefanie Jaffke und Jens Niemeier unterrichtet. Wobei man nicht von Unterricht im klassischen Sinne sprechen kann, animieren die beiden Theaterpädagogen vom Mühlheimer Liberation-Theatre die Schüler doch zu Rollenspielen, Wahrnehmungsübungen und Fantasiereisen zu unterschiedlichen Berufsbildern. Zurück zu Katrin, die gerade die „Bühne” – den vorderen Teil des Klassenraumes – betritt. Gemeinsam mit zwei Mitschülern löst sie dort eine Konfliktsituation zwischen Schulhausmeister, Schüler und Gesundheitsbehörde – im Rollenspiel.
„Wenn ich den Abschluss in der Tasche hab‘, will ich zur Bundeswehr”, sagt Katrin, die im Gegensatz zu anderen Schülern klare Vorstellungen von ihrer Zukunft hat, nach ihrem Auftritt. „Gestern musste ich in einer Szene eine höhergestellte Person verkörpern, und Alex, der im Alltag immer lautstarker Wortführer ist, eine niedere Person spielen. Das war eine interessante Erfahrung.”
Stefanie Jaffke, Mitglied des interaktiven Mitspieltheaters, erläutert ihre Arbeit, die beim Rahel-Varnhagen-Kolleg in den Bereich Berufsorientierung eingebettet ist: „Wir spielen und sprechen über die Qual der Berufswahl zwischen Wunsch und Ideal und stellen die Frage ,Was passt zu mir?‘ und ,Welche Qualifikationen habe ich oder muss ich dafür noch erwerben?’”
Katrin verfolgt gespannt die nächste Szene, die auf der „Bühne” präsentiert wird: Ein Streitgespräch in einer Bäckerei. Kunde, Praktikant und Chefin haben einen Disput, finden aber eine Lösung. „Am Anfang hat man Herzklopfen. Sich vor die Mitschüler zu stellen und eine Szene zu improvisieren, ist schon komisch. Aber letztlich hilft einem das Training, selbstbewusster aufzutreten”, resümiert die 19-Jährige.
Auch Vorstellungsgespräche und schwierige Situationen aus dem Berufsalltag werden thematisiert. „Wenn man seine persönlichen Stärken und Schwächen kennt, hat man schon eine große Hürde genommen”, weiß Jaffke. „Und man tritt dem eventuellen Chef in spe wesentlich lockerer gegenüber.”